Die Massenkultur und ihre Eliten

Автор: Пользователь скрыл имя, 25 Сентября 2012 в 01:22, реферат

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Dem Veranstalter gehört die Show. Und die war topp, ein deutscher Rausch der Deutschen und ihrer Gäste, der Freundschaft der Freunde unter Freunden. Sport tut gut, das Gefühl eines gemeinsamen Anliegens auch und es hat sich was getan in Deutschland – zumindest in der Zeit der Fussballweltmeisterschaft.

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Geschichte gibt es für sie in diesem Sinn noch nicht wirklich menschlich, noch nicht gesellschaftlich, auch wenn sie als Vereinzelte in Gesellschaft sind. Sie hebt sich in dem auf, worin sie entsteht, ist eine sich permanent aufhebende Geschichte. Nun ist zwar wahr, dass Geschichte in ihrem Zeitverlauf nicht aufhören kann, sofern sie nur als Zeit verstanden wird. Selbst wenn nichts mehr geht, geht doch alles weiter, muss es immer weiter gehen, weil Nichts nicht sein kann. Einen Stillstand kann es schon von Natur her, durch den Stoffwechsel, die Bewegung, die Vermehrung usw. nicht geben. Und das macht auch schon, warum allein das, was ist, selbst schon bestimmend wird, und sei es ein bloß leeres Verlangen, eine abstrakte Notwendigkeit, blanker Hunger, Gier der Not. Wo nichts mehr ist, da wird, was ist, zu dem, was das bestimmt, was nicht ist. Das Nichts erscheint als Form für sich, als Form mit eigener Substanz, als Formbestimmung. Das macht die Dialektik der Geschichte aus. Die reine Substanz dessen, was das Sein ausmacht, wird zur Abstraktion ihrer selbst, zur bloßen Form, welche das Seiende bestimmt, zu einem abstrakten Sein, das sich in dem formalisiert, worin es sein kann – zum Beispiel Arbeit als abstrakt menschliche Arbeit oder Sinn als abstrakt menschlicher Sinn. Solche Abstraktionen bestehen als selbständiges Quantum ihrer Geschichte, als Form für sich, in die hineingeht, was entsteht, und worin zugleich vergeht, was dies für die Menschen ist.

Wo sich also die Form ihrer Lebensverhältnisse nicht mehr oder noch nicht aus ihrem Wirken bestimmt, erscheint sie als ein hiervon abgelöstes Gemenge, als ein Quantum, das nicht unmittelbar sinnlich ist, sondern nur im bloßen Dasein das Mittel für seinen Zweck hat, also irgendwie nützlich ist, aber eben nur im Gemenge von Beziehungen, die sich darin nicht gestalten können, weil sie im Grunde hiergegen gleichgültig sind. Zweckhafte Beziehungen sind in diesem Gemenge immer Beziehungen in einer Vermittlung, die nicht unmittelbar Sinn hat, aber hierfür irgendein mögliches Mittel ist. Es sind Beziehungen, die zwar bestimmt sind, die sich aber zugleich gleichgültig gegen ihre Bestimmtheit vermitteln: abstrakte Beziehungen. Diese verhalten sich nur durch die Beziehungslosigkeit ihrer Mittel. Von da her sind sie getrennt von den Bedürfnissen der Menschen, die allerdings selbst auch nur äußerlichen Zweck setzen, weil auch sie nur hierdurch vermittelt sind, Lebensmittel von irgendwelcher Art besitzen müssen, um Leben zu können.

Das Gemenge dieser Mittel hat Karl Marx als Warensammlung bezeichnet, worin der Reichtum der Gesellschaften, in welchen kapitalistische Produktionsweise herrscht, erscheint. Als diese Mittel sind sie zwar Form einer Geschichte, nämlich der menschlichen Reichtumsbildung, zugleich aber auch Formbestimmung ihrer Verhältnisse. Was in ihrer Geschichte qualitativ entsteht, besteht als bloßes Quantum eines Reichtums, der nicht unmittelbar für die Menschen da ist, wiewohl darauf all ihre Bedürfnisse und ihre Arbeit bezogen sind und wonach sich schließlich ihr Lebensstandard richtet. Marx hat diese Entzweiung von Qualität und Quantität vor allem in seinen drei Bänden über das Kapital untersucht. Nach seiner Darstellung kehrt sich schon im Warentausch durch die abstrakte Allgemeinheit des Geldes als einziges gesellschaftliches Mittel des Reichtums die Beziehung der Menschen in eine Beziehung von Sachen, welche die Menschen als Wertquantum bestimmen, wiewohl sie ihren Bedürfnissen entspringen, ihnen ihr eigenes Verhältnis als Verhältnis ihrer Sachen, als Notwendigkeit einer von ihnen abgetrennten Sachform ihrer Gesellschaft erscheinen lassen (siehe Warenfetischismus).

Masse und Macht

Aber es besteht weiterhin die Frage, was eine Massenkultur eigentlich ausmacht und wodurch sie sich auch selbst erhält. Worauf begründet sich ihr Zusammenhang und wodurch funktioniert sie tatsächlich? Bisher war sie doch eher nur politisch oder psychologisch verstanden worden, etwa als Massenphänomen einer suggestiven Propaganda oder als völkische Indoktrination einer Diktatur. Als wirkliches Kulturphänomen war Massenkultur bislang weniger begriffen. Dazu ist es nötig, das Problem mal ganz von einer ganz anderen Seite her zu denken. Nicht von da her, warum sie entsteht, sondern von dort her, warum und von wem sie auch gebraucht wird. Die Antwort hierzu ist etwas beunruhigend: Wenn Massenkultur in Gang gesetzt ist, dann setzt sie eigene Kräfte frei, die ihre Entwicklung fortbestimmen. Von den Menschen, die in eine Massenkultur hineingeraten sind, geht eine ungeheuerliche Kraft aus. Weil sie sich darin nicht nur aufgehoben wissen sondern auch wirklich aufgehoben sind, heben sie alles auf, was für sie Sinn hat. Die Massenkultur ist ein Aufhebungsprozess im vielfältigsten Sinn des Wortes.

Wie schon gesagt: Menge und Masse sind zweierlei. Wenn sich z.B. viele Menschen für Fussball oder eine bestimmte Musik begeistern, dann treffen sie naturgemäß in entsprechenden Veranstaltungen zusammen. Und auch wenn sie sich hierbei in ihrer Begeisterung näher kommen und gegenseitig anstacheln, also gleichzeitig und gemeinschaftlich begeistert sind, kann von einer Massenkultur noch nicht die Rede sein. Selbst wenn sie dabei als Symbolik ihrer Parteiname Fähnchen in den Nationalfarben schwingen und heftige Sprüche skandieren, wird man nicht unbedingt von Masse, Kultur oder gar vonStaatskultur oder Nationalismus reden. Man würde derlei Begriffe einfach nur verfehlen und untauglich machen bzw. entleeren, wenn man sie in dieser Oberflächlichkeit verwendet. Von Massenkultur ist erst dann die Rede, wenn eine Kultur in einer Menschenmasse durch und vermittelst dieser selbst bestimmend wird, wenn Kultur selbst die einzige Form der Anwesenheitmenschlichen Lebens ist, weil und sofern es zum Erleben einer Masse, also in der Dichte von Menschen geworden ist.

Aber Masse setzt Menge voraus. Sie ist die Dopplung der Menge, wie sie zum einen wahrgenommen und wie sie zugleich wahrgehabt wird. Sie ist die Dichte von Menge, wo sich Menschen nicht mehr durch ihr wirkliches Leben aufeinander beziehen können. In der Menge erlebt sich jeder Mensch so, wie er Menge als Verdichtung von sich als ebenso Daseiender wie alle anderen, sich als Mensch erfährt, der auf sein bloß körperliches Menschsein ununterscheidbar verwiesen wird. So wie er sich also als einer in der Masse erlebt, so erfährt er dann auch von seinem Leben. Als Einer wäre er noch eine Zahl, hätte vielleicht auch noch zu erzählen, wie es ihm geht. Aber in der Masse verliert sich dies als Lebensereignis der Verdichtung der Vielen. Massenkultur macht sie zur Kulturmasse.

Elias Canetti hat in seinem Buch „Masse und Macht“ die Masse in ihrer Bewegung und Tendenz beschrieben als eine fast mystisch erscheinende Gesetzmäßigkeit ihrer Verläufe, quasi als Psychogramm des Massenerlebens, das für ihn eine besondere Form des Machterlebens darstellt. Er war so sehr da hineinvertieft, dass er sogar wesentlich psychische Phänomene damit erklären wollte, etwa die berühmte Schreber-Psychose, die im Material von Sigmund Freud zu finden war. Für ihn ließen sich aus dem Erleben von Masse die Grundängste, -befürchtungen, -erwartungen und –handlungstendenzen der Menschen ableiten. Und damit lag er nicht ganz unrichtig, auch wenn ich seinen in der Betrachtung selbst schon abgelösten Standpunkt nicht teile. Richtig ist jedenfalls, dass sich aus der Masse vor allem deshalb eigene Bestimmungen ergeben, weil sie eine körperliche Abstraktion darstellt. Und es ergeben sich diese Bestimmungen auch nur, wo vom körperlichen - und das heißt letztlich: vom sinnlichen Leben – auch wirklich abstrahiert wird.

Eine Massenkultur vollzieht und verwirklicht diese Abstraktion, weil sie eine Abstraktion von Gesellschaft ist: Sie verbindet die Menschen nicht mehr durch ihre Lebensäußerung, ihrem tätig sein, der Verwirklichung ihrer Zusammenhänge: Sie verbindet sie durch ihre Wahrnehmungen, durch ihre bloße Anwesenheit im Prozess des Erlebens. Ihnen wird damit die Wahrheit ihrer Erkenntnisse nur in der Form gewahr, wie sie sie auffassen und nehmen, nicht wie sie dies wahrhaben. In Beziehungen, worin sie lediglich ihr Wahrnehmen und Selbstwahrnehmen aufeinander beziehen, haben sie von ihren Erkenntnissen lediglich eine Vorstellung, eine formelle Gestalt des Erlebten. Jede Veranstaltung ist eine Abstraktion durch Erleben des Gelebten, und veranstaltete Kultur wird daher nur aufgehobenes Leben bewahren und bewahrheiten, ein entleibtes, entsinnlichtes Leben, das man sich einverleibt hat.

Abstrakte Sinneswelten

Massenkultur ist eine Kultur abstrakt menschlicher Sinne. Ihre Absicht zielt auf das, wovon die Sinne auch wirklich absehen. DerReiz des Erlebens beruht in den Erlebenswelten darauf, dass das Leben darin schon in seiner vertrauten Gestalt reizvoll, als gegenständlicher Reiz erlebt wird. Er ist lebende Reflexion von dem, was man eigentlich kennt, von dem man sich aber immer wieder beeindrucken lassen will, um damit über alle Geschichte hinweg am Leben zu bleiben. Und die Absicht erfüllt sich in dem, was sie als Wahrnehmung auch darin wahrhat, dass das reizt, was bekannt ist, was also nichts wesentlich Neues oder gar Erschreckendes sein kann, sondern eher das Vertraute als ein Versprechen auf ein bestimmtes Erlebnis darstellt. Eine Gesellschaft des Erlebens dreht sich daher nurmehr im Kreis, vollzieht, was ihrer Absicht möglich ist, ohne dies wirklich erzeugen zu müssen. Sie bedient alleine die Wahrnehmung, weil sie sich selbst längst schon nicht mehr wirklich entwickelt, keine Lösungen für ihre Probleme und keinen Ausweg aus ihrer Zirkelhaftigkeit findet. Die Menschen erfahren sich darin wie eine Masse, wie eine diffuse Bewegung, die von Anwesenheit und Dichte und Anziehung und Abstoßung bestimmt wird. Sie bewegen sich nicht mehr durch Bedürfnisse, Tätigkeiten und Überzeugungen, durch die Notwendigkeiten und Freiheiten des Lebens, das sie gestalten. Sie leben selbst aus einem dumpfen Grundempfinden, das lediglich von ihren Wahrnehmungen bestimmt ist und wodurch ihnen nichts mehr wirklich nahe kommt, sondern nurmehr als zu dicht, zu lose, zu nah, zu fern, zu schwer oder zu leicht usw. vorkommt. Sie richten sich nach den Möglichkeiten, Beschränkungen und Grenzen ihrer Lebensumstände, die zu bestimmenden Größen ihres rein körperlich gewordenen Bestimmungsrahmen geworden sind. Je undurchschaubarer gesellschaftliche Verhältnisse für die Menschen werden, je massiver ihnen die gesellschaftlichen Bedingungen als ihre Lebensbestimmung erscheinen, desto dumpfer wird ihnen ihre eigen Bewegung und sie wird ihnen in Gemeinschaft mit anderen schnell zu einer bloßen Massenbewegung. Umgekehrt wird jedem Sinn aber auch sein bestimmter Inhalt ab gesprochen, er selbst gilt nur als Lebensform allgemeiner Sinneswelten, der durch Erleben bestärkt und belebt wird. Das Erleben wird zum Sinn des Lebens selbst.

Wo Menschen sich nicht äußern können, da suchen sie das Selbsterleben

Dass Leben sich nicht mehr äußert, sondern selbst als äußerlich erlebt wird, hat die Alltagserfahrung schon weitgehend so durchsetzt, dass das Erleben selbst entgegenständlicht ist, sich selbst nur auf sich bezieht, seinen Gegenstand also nur in der eigenen Lebensgestalt, vor allem dem Körper und seiner psychischen Erlebensform hat. Die Kultur der Selbstbeziehungen ist die Kultur der Selbstverwertung, die Kultur des Selbstwerts. In der Masse verdichtet sich daher nicht nur ein bloßes Menschsein, sondern vor allem eine Kultur der Körperlichkeit, welche die Selbstbezogenheiten zur verbindlichen Ästhetik treibt, zu einerSelbstveredelung, die durch die Masse gespeist wird und sich in ihr als ein ästhetischer Wille des Massengefühls gestaltet.

Darin sucht das Bedürfnis des Kulturkonsums seine Selbstverwirklichung, die Naturgestalt seines Selbsterlebens. Die Menschen erscheinen sich in der Kultur ihres ästhetischen Willens selbst als duch ihre bloße Natur bestimmt, als Natürlichkeit ihrer Art, die lediglich von Unnatur beherrscht sein kann. Die bürgerliche Persönlichkeit sieht von daher im Massenerleben einen Ausweg aus den Widersprüchen, in denen sie ihre Gesellschaft erlebt: Das Innere ihrer Bedürfniswelt erscheint dort als ihr "wahrer gesellschaftlicher Zusammenhalt", die Zwangsläufigkeiten des Kapitalismus als bloße Abartigkeiten einer Fremdherrschaft, mit der sie im Grunde auch nichts zu tun haben - wiewohl sie natürlich weiterhin für Geld arbeiten, Kapital mehren und an eine Wertwachstum glauben. Er ist schlicht unnatürlich und eine äußere Totalität, die sie durch die Totalität ihrer inneren Natur zu ersetzen gedenken, in Wirklichkeit aber lediglich für sich durch kulturelle Macht ersetzen.

Kulturmacht legitimiert sich durch die Natur des Menschseins, durch das zur Natur verallgemeinerteSelbsterleben der Individuen, durch die Art und Rasse der "wahren Menschlichkeit", die zum Teil einer naturalisierten Kulturhistorie (z.B. in Runen und Mythologiern) entnommen werden, zum anderen aber auch in den Realmythologien der Naturwissenschaft, den Körperlichkeiten der von ihrer gesellschaftlichen Existenz bereinigten Lebensfunktionen. Bildet sich dort aus einer Ursprungssehnsucht in wirren Zeiten eineSophisterei des menschlichen Wesens zur Mythologie, zur Religion des eigentlichen Menschseins heraus, so erscheint hier die Körperlichkeit für sich bestimmt. Hierfür taugen die sogenannten Naturwissenschaften, wenn sie sich als Wissenschaft der Natur schlechthin verstehen, wenn sie die gesamten Lebensäußerungen des Menschen selbst schon in ihrer Naturgestalt determiniert sehen, Darwinismus zum Modell der gesellschaftlichen Entwicklung hergenommen wird (siehe Sozialdarwinismus). In der Naturalisation aller Beziehungselemete des Lebens begründen sich ihre Abstraktionen als selbständige Wesenheiten, Geist undNatur im Gegensatz, der im Streit mit den Geisteswissenschaften in Krisenzeit handfest wird, sich zur Naturalisierung aller sozialen Formen totalisiert. So zeigt sich z.B. auch schon wieder an den derzeitig kursierenden deterministischen Theorieansätzen der Hirnforschung, dass sogar die innersten Beweggründe der Menschen nicht mehr als ihre Lebensäußerung, sondern lediglich als Form ihrer Natur angesehen werden. Mit ihrem biologistisch begründeten Zweifel an der Willensfreiheit sind solche Forschungsansätze letztlich bloß theoretischer Ausdruck einer Massenkultur, weil sie die prinzipielle Unmöglichkeit behaupten wollen, dass Menschen sich überhaupt entscheiden können für das, was sie tun.

Wäre menschliche Tätigkeit alleine durch Natur bestimmt, so wären Menschen so etwas wie Naturroboter. Es wäre ziemlich unsinnig, wollte sich Wissenschaft dazu hergeben, alle menschliche Kultur als solches Naturprodukt anzusehen. Jenseits derselben jedoch, also in den selbständigen Erlebensformen der Kultur, erscheint ihr dies eine mögliche Erkenntnis zu sein: Menschen wollen, was sie sowieso müssen. DasSubjekt ist die natürliche Masse selbst, die in Bewegung ist. Darin wird der Moment der Entscheidung, also der Scheidung zwischen Verhaltensmöglichkeiten ausgeschlossen. Das kann nur überhaupt jemand hypostasieren, der es auch so beobachtet und dies für eine Erkenntnis hält.

Tatsächlich ergibt sich Verhalten in der Massenkultur oft durch lediglich scheinbare Unterscheidungen, welche keine wirkliche Entscheidung möglich machen oder gar nötig haben, z.B. dem Unterschied von Bedürfnis und Wille, Verlangen undSelbstbehauptung. Ohne Subjekt bleibt beides dasselbe und kennzeichnet viele Vorgänge, die im Massenerlebnis vorkommen. Im Erlebnis verschmilzt Subjekt und Objekt, und das scheinbar Subjektive ist nichts Anderes als das objektiv Notwendige, z.B. die bloße Abreaktion, die Energieabfuhr aufgestauter Aggressivität u.a.m., um zu ertragen, was nicht mehr von den Menschen beantwortet werden kann, wozu sie sich nicht mehr sinnvoll äußern können. Die Erlebniskulturn die "Eventkultur" ist damit durchaus eine notwendige Kultur für eine Gesellschaft, in der die Menschen fortwährend bedrängt, gezwungen und erniedrigt werden.

Dies hat auch schon öfter dazu geführt, dass ihnen ein Objekt ihrer Erlebensnotwendigkeiten, z.B. ihres Hasses geboten wurde, an dem dann der „Volkszorn“ zur Gesinnung fand. Nur die gewaltigen Kräfte, die so gebündelt sind, können erklären, wie es zu einem sonst unglaublichen Sadismus einer ganzen Gesellschaft z.B. im Nationalsozialismus kommen konnte. Ihm wurde ein bis dahin bedeutsamer Bevölkerungsteil, die Juden, zum Fraß vorgeworfen, zugleich zerstieb im Handumdrehen jede öffentliche Humanität, die bis dahin noch natürlich galt.

Die Gewalt des bloßen Quantums

Massenkultur kommt also nicht von ungefähr. Sie setzt voraus, dass eine Gesellschaft für die Menschen dadurch undurchsichtig und undurchdringlich geworden ist, dass ihre bestimmenden Kräfte keine erkennbaren Gestalten mehr einnehmen, sich nicht mehr eindeutig bestimmen lassen, weil sie selbst nichts mehr eindeutig bestimmen, sondern ihre vielen Bestimmungen nur auf eines deuten: auf das reine Quantum, das als reine Masse subjektiv wie objektiv bestimmend geworden ist. Kultur wird als Massenerlebnis selbst zum Medium des in der Masse gleichgeschalteten Menschen. In einem Kulturstaat lässt sich diese Kultur mit dem Kapitalismus in vollen Einklang bringen, ohne dass Kapital dann überhaupt noch als Sachzwang erkennbar ist. Der Sachzwang wird zum "Willen des Volkes".

Auch Kapital selbst ist ja in seiner höchsten Totalität nichts anderes als Masse, die alles bedrängt, sich zu vermassen. Kapital erzwingt Verwertung und drückt auf alle Preise, um in seinem unendlichen Prinzip jederzeit möglichst viel Wert für sich einzunehmen, zu verwerten und im Finanzmarkt bis zu seiner Entwertung aufzustocken. Es gewinnt nach wie vor seinen Wert nur aus unbezahlter Arbeit und drückt daher beständig auf den Preis der Arbeitskraft, soweit es kann, soweit sich also die Arbeitskraft zu einem bestimmten Wert reproduzieren lässt und dennoch mehr erzeugt, als sie verbraucht. Und von daher drückt es auch auf den Preise der Lebensmittel, damit sie in möglichst großer Masse möglichst preiswert sein können. Möglichst preisgünstige Produkte und möglichst preisgünstige Arbeitskraft kann nur durch Masse erstellt werden. In der Masse bedrängter Reproduktionspreis betreibt das Kapital eine Massenproduktion, um möglichst viel Wert aus unbezahlter Arbeit abzuschöpfen. Als alles Lebende bedrängende Substanz bestimmt es das Leben der Menschen zum Leben in der Masse, ihre Kultur als Massenkultur. Wo sich Gesellschaften bilden, die durch ihre Lage auf dem Weltmarkt sich zum großen Teil durch ihre Wirtschaftsmacht gegen die von ihnen abhängigen Länder behaupten, gründet ihr gesellschaftlicher Zusammenhang auch auf Geld, das nicht durch sie selbst entsteht. Das erst macht es möglich, dass es reine Dienstleistungsgesellschaften gibt, denn keine Gesellschaft kann darauf beruhen, dass sich ihre Mitglieder gegenseitig zu Diensten sind. Jede Gesellschaft ist darauf angewiesen, sich zu entwickeln, sich zu reproduzieren und Mehrprodukte zu schaffen, will sie nicht an ihrer eigenen Masse und am Inzest ihrer Produktivität zugrunde gehen.

Wo Menschen nur noch ausschließlich durch Geld miteinander gesellschaftlich verkehren, wo sie also keinen gesellschaftlichen Ort ihres Zusammenwirkens mehr haben, da erscheint die Geschichte, welche die Menschen darin machen, voller Sinnlosigkeiten, ihre Fortbestimmung willkürlich und schicksalhaft, oft bar jeder wirklichen Aufgabe und Bezogenheit, weder in der Ausbildung, Lehre oder Berufseinstellung, noch in den Chancen auf eine Änderung oder Verbesserung der eigenen Lage. Jeder menschliche Akt darin gerät von einer Falle in die nächste und gewinnt in einem Moment, was er im anderen verliert, ohne zu wissen, wie und warum ihm dies geschieht. Es ist eine Situation, worin sich Menschen wie in einem Taubenkäfig von Skinner verhalten, worin sie also je nach zufälliger Verbesserung ihrer Lage während dem einen oder anderen Flügelschlag sich ein entsprechendes Verhalten angewöhnen, eine Art Aberglaube, durch den sie sich sicher vermeinen, dass es ihnen besser gehen wird. Und dieses abergläubische Verhalten ist höchst erfahrungsresistent und beherrscht die Menschen in ihrem ganzen Erkenntnisvermögen und ist die Grundlage der Mystizismen im gewöhnlichen Lebensalltag.

Auch wenn das einzelne Leben nur noch wie in eine unendliche Falle geraten zu sein scheint, wird es abergläubisch, um sich selbst darüber hinwegzutäuschen, dass es ganz simplen Zwängen folgt. Was gesellschaftlich nicht mehr geht, weil Gesellschaft selbst zur vollständigen Abstraktion geraten ist, scheint dann in der Masse zu funktionieren, weil sie Folgsamkeit im Gefolge erheischt. Dort wird auch wirklich aufgehoben, was die einzelne Not ausmacht. Eine unerträglich verspürte Isolationin einer privatisierten Ausweglosigkeit wird in der Masse zumindest unter die Menschen gebracht. Dort allerdings versammeln sich keine bestimmten Zusammenhänge. In der Masse ist ihre Menge zu einer leeren Dichte verschmolzen, worin jede vereinzelte Problemlage zum aufgehobenen Moment der Masse und diese als Problemlöser zu einem Massenphänomen wird, zum Phänomen einer ungeheuerlichen Verdichtung und der Energie, die diese enthält. Der betroffne Mensch erfährt Masse wie ein Naturerlebnis, als ein Erleben schicksalhaft anmutender Anhäufungen von Erregtheiten, als ein Leben außer sich, als etwas anderes, etwas prinzipiell Neues, das nach einer Lösung überhaupt, nach einer Bewegung an sich verlangt, in welcher sich alle Kraft und Energie auflösen ließe, die in der Masse gebündelt ist. So wird ein leibhaftiger Mythos notwendig, ein Übermensch, der die Menschen auf irgendeine Art und Weise ihrer eigenen Energie gerecht zu führen versteht: Ein Erlöser, der der Masse einen Sinn verleiht, den sie für sich nicht haben kann.

Die allgemeine Selbstbehauptung 
oder die Masse der Menge, die Kraft der Vielen im Prinzip des Einen

Massenbildung beruht auf der Sinnentleerung menschlicher Verhältnisse, auf dem Zusammenschluß  von Menschen durch bloße Verdichtung ihrer Anwesenheit. Darin findet sich kein Sinn, sondern lediglich Körper. Aber darin erscheint zugleich auch eine vertrackte Begeisterung für das Sinnliche, das Körperliche und das Außergewöhnliche. So erleben sich Menschen in der Masse schnell im Gefühl einer kollektiven Macht, die alles vergessen macht, was sie für sich sind und leiden, weil ihre wirkliche Ohnmacht damit auch wirklich aufgehoben ist. Dann können sie sich darin vereinen, dass sie durch irgendwelche Ereignisse im Rausch einer Masse sich in einer ungewöhnlichen Besonderheit erleben. Sie können sich in ihren Selbstgefühlen allgemein bestätigt finden, sich eben hierdurch selbst behaupten, ohne selbst zu sein. Sie können ihre Selbstbehauptung in einem Massengefühl ihres besonderen Erlebens finden, das ihre wirkliche Einzelheit nurmehr als besonderte Masse wahrnimmt, als besondertes Machtgefühl. In der Masse kann sich jeder durch nichts behaupten, weil er selbst in der Masse nichts, selbst also nur durch Masse ist.

Masse macht mächtig, was für sich klein und schwach ist. Das macht sie nicht, weil sie die Menge eines Zusammenhangs von etwas wäre, wovon viele Menschen in gleicher Weise betroffen sind. Sie ist nicht die Macht der Vielen, der Menge. Es ist die Macht der Verschmelzung, die in der Masse wirksam wird, die Verdichtung abstrakter Stofflichkeit gegen jede Bestimmtheit, gegen die Inhaltlichkeit eines Grundes, gegen jede Qualität. Es ist die Macht der Geschichtslosigkeit, die sich wie von selbst eröffnet, wenn viele Menschen nicht mehr weiter wissen, kein Bewusstsein ihrer Lage und Geschichte mehr zustande bringen. Die Momente der Geschichte werden darin selbst zu Metaphrasen ihrer Vergeblichkeit, zu Idealisierungen, Erinnerungen, Fantasmorgien eines enttäuschten Gedächtnisses. Diese zerfließen in einer Kulturmasse, in der sich alles aufkocht, was je Sinn hatte. Kultur wird zu einem Dampfkessel der Sinnsuche und Selbstbehauptungen. Im Auflodern und Abfackeln herrschender Idealisierungen verbrauchen sich gewaltige Kräfte in einem blinden Kulturalismus, aber aus der Verschmelzung der Kultur zum Kult entsteht auch eine gewaltige Energie. Der Kampf um das rechte Idol ist ein Kampf um die Macht für alle und über alle, die Macht des Außersichseins der Kultur, ihrer vollständigen Selbstentfremdung. Das Idol wird zum Träger von dieser Macht. Da hinein mutiert das Ideal zur Heilsbotschaft und nur die macht es wirklich stark - und selbstgerecht und brutal undbarbarisch. Die Botschaft ist sowohl Ersehntes als auch Notwendiges, eine Bestimmung, die es noch gar nicht gibt und die einen Erlösungsglauben erzeugt, der das Ersehnte machbar machen soll, ohne die Sehnsucht aufzugeben. Weil sie keinerlei Wirklichkeit hat, muss sie Prinzip werden, um zur Verwirklichung zu gelangen, Heilsprinzip. Es lebt von unendlicher Sehnsucht und darin gelangt das Machtgefühl dann auch zu seiner Aggressivität gegen wirkliches Leben, zu einem Hass auf alles, was sich ihm in den Weg stellt. Die Scheidung von Freund und Feind richtet sich nurmehr nach der Angepasstheit an die rechte Art. Nur im Ideal kann leben, was in Wirklichkeit tot ist, und deshalb muss das Ideal leben, damit sich hieraus Macht über das Leben ergießt. Es ist das Nichtungsprinzip der absoluten Idealisierung, der Großartigkeit, die auch jene Menschen begeistern und mitreißen kann, die nur ihre Enttäuschung nicht begriffen haben. Jeder Staat wird das zu nutzen wissen, sobald er es nötig hat, und er hat es nötig, wenn ihm seine Grundlagen entschwinden: Die Steuereinnahmen und der Wählerzuspruch.

Wie mächtig der Hass sein kann, der durch bloße Nichtung entsteht, haben die Nazis ausgiebig bewiesen. Er betrieb fast alle Absichten eines ganzen Systems, von den politischen Visionen bis in den letzten Winkel bürgerlicher Wissenschaft. Doch er hat eine sehr platte und simple Grundlage, die leider in ihrer Wirkung bislang fast unerkannt geblieben war: Die verrückt gewordene Sehnsucht nach Gesellschaft im Prozess ihrer Zerstörung, die letztlich betreibt, was sie befürchtet: Die Vernichtung ihrer eigenen Geschichte, der Konsum ihrer Gegenwärtigkeit, Kulturkonsum bis zur Selbstzerstörung. Es ist der finale Punkt, auf den eine Gesellschaft sich hinentwickelt, welche ihre menschlichen Grundlagen, ihre eigene menschliche Gesellschaftlichkeit im Wertprinzip verschlingt.


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